Die Klassenzimmer sind leer, auf dem Schulhof stehen Baumaschinen und Werkstattwagen, statt Mathe und Physik stehen heute „Pflastern“, „Akku-Schrauben“ und „Honig abfüllen“ auf dem Stundenplan. Zum zweiten Mal veranstalten Briesener Handwerksbetriebe den Handwerkertag an der Schule in Briesen. Diesmal nur für die Oberschule Briesen der FAWZ gGmbH, denn die Betriebe wollen sich den Oberschülerinnen und Oberschülern vorstellen und sie für ein Praktikum oder eine Ausbildung begeistern.
„Und was macht ihr, wenn ein Kunde zu euch kommt, der ganz schmutzige, vielleicht sogar ölige Hände hat? Was müsst ihr in diesem Fall vor einer Maniküre machen?“ 14 Augenpaare schauen Kosmetikerin Renate Wilke an und überlegen. Vor den Schülerinnen liegen Nagelfeilen, auf dem Lehrerpult stapeln sich kleine Schüsseln, Fläschchen stehen bereit, eine Packung Salz, Papierhandtücher. „Ihr gebt ins warme Wasser für das Fingerbad ein paar Tropfen Seife! Dann können die Tenside arbeiten, so lange die Finger im Wasserbad sind, und der Schmutz kann besser entfernt werden.“
Nicht nur bei der Kosmetikerin ist heute „Handarbeit“ gefragt: Beim Handwerkertag geht es hauptsächlich darum, dass die Schülerinnen und Schüler der Oberschule selbst zupacken und sich in dem einen oder anderen Handwerksberuf versuchen. Sieben Gewerke stehen den Schülern zur Auswahl: Galabau, Zimmer- und Dachdeckerei, Elektronik, Imkerei, Kosmetik und Kfz-Handwerk. Während im Physiksaal angehende Elektrikerinnen und Elektriker mit dem Elektroinstallateur Jörn Patke über Schaltkreisen brüten und angestrengt darüber nachdenken, von wo nach wo die Elektronen und von wo nach wo deshalb der Strom fließt, sind in der Imkerei Janthur viele Hände gefragt, um den frisch geschleuderten Honig in Gläser abzufüllen. Die Schülerinnen und Schüler sind einen halben Kilometer durchs Dorf gelaufen, um sich das Imkerhandwerk direkt vor Ort auf dem Betriebsgelände anzuschauen. Jetzt, zur Pause, sitzen sie auf leeren Bienenkästen. Einige haben sich ihr frisch abgefülltes Glas Honig wieder aufgemacht und stippen ihre Stullen ein. „Es ist auf jeden Fall sehr lecker“, grinst Jannis aus der neunten Klasse und lässt sich mit Honigglas fotografieren. Selbst die Biolehrerin, Fr. Fröhlich, erzählt begeistert, was der Fachmann, Martin Müller, zu einem Bienenstock so alles zu erzählen weiß.
Aber ansonsten haben die Lehrerinnen und Lehrer der Oberschule heute nichts zu melden: Die Handwerker haben „ihren“ Tag genauestens organisiert und für alle Schülergruppen eine Projektarbeit konzipiert, so dass wirklich jeder und jede einmal Hand anlegen muss oder darf. Alle Materialien und Werkzeuge stellen die Betriebe selbst. Galabauer, Zimmerleute und Dachdecker sind sogar mit mehreren Mitarbeitern gekommen: „Aber das ist es uns wert!“, schmunzelt Mathias Kalsow. Er hat den Tag zusammen mit seinen Handwerkskollegen konzipiert und organisiert. „Diesen Tag hat sich jeder von uns freiwillig frei geplant, um hier sein zu können. Die Auftragsbücher sind eigentlich voll…“.
Für die Handwerksbetriebe steht im Vordergrund, die Schülerinnen und Schüler für das Handwerk zu begeistern und für ein Praktikum oder eine Ausbildung zu gewinnen. Manche Projektarbeiten darf die Schule auch vor Ort „behalten“: Galabauer Ronny Manteufel hat sich an diesem Tag den Schulhof vorgenommen: Unter dem Basketballkorb haben er und seine Mitarbeiter alles vorbereitet, sodass sich die Schülerinnen und Schüler ein Spielfeld pflastern können. Von der Pike auf wird hier gearbeitet, die Nachwuchshandwerker arbeiten mit allen Werkzeugen und Maschinen, die die Profis für solche Arbeiten verwenden. Sie sind so bei der Sache, dass sie sogar freiwillig die Pause Pause sein lassen.
Neben dem Basketballfeld überarbeitet die Dachdeckerei Wachholz eines der hölzernen Pausenhäuschen: Vier Siebtklässlerinnen sind in die erste Gruppe eingeteilt und mit dem Akkuschrauber kommen alle prima klar. Die eigene Schüchternheit zu überwinden ist das viel größere Problem. Aber das klappt im Lauf der Zeit immer besser.
Später werden die Mädchen vor das WAT-Gebäude wechseln, vor dem Zimmermann Mario Herde eine mobile Werkstatt aufgebaut hat: Holzbalken liegen bereit, mehrere elektrische Sägen hat Herde mitgebracht plus den Laptop für Modelle und Pläne. Henry, Klasse 7, schaut zu Beginn noch recht skeptisch, aber „ich interessiere mich dafür. Zu Hause haben wir schon viel gebaut“. So geht es auch Erik aus der achten Klasse: „Ich mag sehr gerne die WAT-Holzwerkstatt. Deshalb habe ich mich hierfür gemeldet“. Kurz darauf steht er vor einem der Holzbalken und hantiert mit dem großen Winkelmesser, den ihm Herde in die Hand gedrückt hat. Eine ordentliche Markierung muss her, damit die übrigen Schüler den Balken an der Säge schneiden können. Natürlich nur unter Aufsicht, denn die Handwerker achten streng auf den Arbeitsschutz.
Darauf achten auch die Mitarbeiter der Autowerkstatt Süllke. In zwei Gruppen begleiten die Schüler eine „echte“ Fahrzeuginspektion an einem Kundenfahrzeug: Mit der Taschenlampe wird in Radkästen geleuchtet, Stoßdämpfer und Bremsen werden begutachtet. Als das Auto mit der Hebebühne hochgefahren ist, geht es für die gesamte Gruppe unter den Wagen. Wieder werden vom Fachmann Handgriffe und Tricks erläutert und gezeigt. „Das macht total Spaß“, freut sich Emma. Die Zehntklässlerin hat sich ganz gezielt in die „Autowerkstatt-Gruppe“ eintragen lassen, denn „ich will das wissen“. So geht es auch Alex aus der neunten Klasse: Er hat heute früh sogar eine Bewerbung mitgebracht und in der Autowerkstatt abgegeben. Sein Schülerbetriebspraktikum im Mai möchte er gerne hier absolvieren und den Handwerkertag möchte er nun nutzen, sich und sein Interesse vorzustellen. Genau das ist das Ergebnis, das sich die Handwerker von „ihrem“ Tag an der Schule wünschen.
Bei der Mehrheit der Briesener Oberschülerinnen und -schüler kommt dieser ganz besondere Praxistag sehr gut an: Am Ende des Schultages sind 14 Hände manikürt, viele andere Hände etwas dreckiger geworden. An etlichen T-Shirts klebt Staub und Schweiß, aber das Basketball-Viereck ist fertig, das Pausenhäuschen wieder schick und müde Schülerinnen und Schüler schlurfen zufrieden vom Schulhof.
Frau Schmidt, Klassenlehrerin Klasse 10
Ein riesiges Dankeschön an alle Handwerker und Frau Wilke, aber auch an unseren Hausmeister, Herrn Schumann, der immer mittenmang und in der Vorbereitung eine großartige Unterstützung war.
Frau Koch, Schulleiterin